Ich hätte wirklich nie gedacht, dass ich jemals auf einer Homepage der AA etwas über mein Leben schreiben würde. Überhaupt hätte ich nie gedacht, dass ein spirituelles Programm mir meine geistige und körperliche Gesundheit wiedergeben kann.
Wenn es etwas gibt, das ich bedauere, dann nur, dass ich nicht schon 10 Jahre früher den Weg zu AA und zum 12-Schritte-Programm gefunden habe.
In meiner Familie bin ich behütet und beschützt mit meinen zwei Geschwistern aufgewachsen. Es gab damals keine Anzeichen, dass ich einmal lebensbedrohliche Alkohol- und Drogenprobleme bekommen würde.
In meiner Jugend habe ich den ersten Kontakt zu Alkohol und kurze Zeit später auch zu unterschiedlichen anderen Drogen gehabt. Ich habe damals schon öfter bis zum Blackout getrunken und mit dem Konsum von Alkohol und anderen Drogen oftmals übertrieben. Genauso exzessiv, wie ich zunächst meist „nur“ an den Wochenenden konsumiert hatte, habe ich damals auch andere Dinge betrieben, wie bspw. Sport oder später meine Arbeit.
Mit Mitte 20 gab es ernste Aussetzer vor allem in Form von Kontrollverlusten. Wenn ich begonnen hatte zu konsumieren, hatte ich keine Kontrolle mehr über die Menge, auch wenn ich mir vorher fest eingebläut hatte, nach 3 Drinks oder um 23 Uhr ist heute definitiv Schluss. Das funktionierte aber nie! Zusätzlich entwickelte ich die sogenannte „Montagskrankheit“. D.h., mein Chef konnte sich wirklich nicht sicher sein, ob ich Montag früh am Arbeitsplatz erscheinen würde. Denn oft habe ich montags einfach weiter getrunken und das Wochenende um einen Tag verlängert. Heute weiß ich, dass mich mein süchtiges Verhalten damals schon fest im Griff hatte – egal wie ich es mir zu dieser Zeit noch schöngeredet hatte. Mit 27 Jahren musste ich in meine erste Entgiftung ins Krankenhaus, weil ich mein Trinken nicht mehr stoppen konnte.
Allerdings konnte ich auch nicht weitertrinken, weil mein Magen durch das monatelange Durchtrinken so angegriffen war, dass ich bei jedem Schluck sofort spucken musste – eine echte Zwickmühle, weil ich den absoluten Drang und Zwang hatte weiterzutrinken.
Also wurde ich ins Krankenhaus gebracht, wo ich 3 bis 4 Tage durchzitterte und dann dem Arzt versicherte, dass er mich hier auf keinen Fall wiedersehen würde. Hatte dieser „arrogante“ Kerl doch behauptet, ich wäre alkoholabhängig und dass es sicherlich nicht mein letzter Krankenhausaufenthalt sein würde. Auf diesen ersten „kleinen stationären“ Entzug, nach dem ich keinesfalls überzeugt war, ein „echter“ Alkoholiker zu sein, folgten in den nächsten Jahren noch 29! weitere. Jedes Mal, wenn ich das Krankenhaus gedemütigt, verwirrt und kleinlaut verließ, war ich der festen Meinung, dass dies nun wirklich mein allerletzter Besuch gewesen sein muss.
Doch mein „Ego“, welches sich heftigst gegen jegliche Niederlagen wehrte, kam schneller zurück als ein bösartiger Tumor und redete mir ein, vielleicht doch nicht von Alkohol und anderen Drogen besiegt worden zu sein, sondern unter gewissen Umständen doch noch kontrolliert konsumieren zu können.
Dieses Spiel, das ich immer wieder verlor, wiederholte sich fast 10 Jahre.
Da sich jeder meiner Abstürze dramatisch verschlimmerte und ich mich an der Schwelle zum Tod befand, was mir unterschiedliche Ärzte versicherten, beschloss ich 90 AA-Meetings in 90 Tagen zu besuchen. Diese Empfehlung hatte ich von zwei erfahrenen AA-lern beim Infomeeting erhalten, das sie in der Entzugsklinik durchführten, in der ich mich zu diesem Zeitpunkt befand. So legte ich mit dem Besuch der AA Meetings los, die mich rückfallfrei durch die Weihnachtszeit und Silvester brachten. Während dieser Zeit stieß ich auch auf die Young People Group der AA, welche mir besonders zusagte. Mir wurde dort nahegelegt, dass ich das sog. 12 Schritte-Programm mit einem Sponsor (Mentor für dieses Programm) durchlaufe solle, um wirklich von meiner Sucht befreit zu werden. Die Idee fand ich gut, nur wollte ich vorher erst einmal wieder voll in das Arbeitsleben einsteigen. Keine gute Idee wie sich herausstellte. Anfangs besuchte ich die AA Meetings noch gelegentlich und dann gar nicht mehr. Seitdem weiß ich, dass ich alles, was ich über meine Genesung stelle, verlieren werde. So auch diesen Job, auch wenn ich ihn nicht besonders gemocht hatte, war es wieder ein unsäglicher Abgang, bei dem ich sturzbetrunken die Kündigung entgegennehmen musste.
In dem darauffolgenden und bisher letzten Krankenhausaufenthalt konnte ich endlich vollständig vor meiner Sucht kapitulieren. Ich ging zurück zu der AA Young People Gruppe, wo ich mit offenen Armen empfangen wurde, und begann, das 12 Schritte-Programm zusammen mit einem Sponsor zu durchlaufen. Mir ging es schon in den ersten Wochen schlagartig besser und das Programm zeigte eine enorme Wirkung bei mir. Nicht nur, dass ich seit Beginn trocken und clean bin, sondern ich habe noch nicht einmal daran gedacht, dass es jetzt schön wäre, etwas zu nehmen. Das ist für mich das größte Wunder. Dass sich mein Leben seitdem in allen Bereichen fantastisch entwickelt hat, verdanke ich dem AA Programm und der Young People Group!
Alle 12 Versprechen der AA sind für mich bereits im ersten Jahr wahr geworden! Ich bin sehr dankbar, dass ich diese AA Gruppe gefunden habe. Dankbar bin ich auch für die vielen interessanten Menschen, die ich kennen lernen durfte und weiterhin kennen lernen darf, und für das Privileg, dieses einfache und sehr effektive Programm weitergeben zu dürfen.
Ein Mitglied der Anonymen Alkoholiker